Erfahrungen & Bewertungen zu Rechtsanwälte Mahr Hannen

Die Verjährung von Ansprüchen aus ärztlicher Fehlbehandlung

Nicht immer ist direkt im Anschluss der Behandlung klar, dass es zu einer fehlerhaften Behandlung gekommen ist. Gerade bei komplizierten Behandlungen ist es normal, dass es zu längeren Behandlungs- und Heilungsverläufen kommt. Oftmals vergehen Wochen, Monate oder auch Jahre, bis sich der Verdacht herausstellt, Opfer eines Behandlungsfehlers geworden zu sein. Besonders schlimm ist es, wenn Schadensersatzansprüche aufgrund einer ärztlichen Fehlbehandlung zwar bestehen, diese aber aufgrund des Zeitablaufs nun verjährt sind. Dann hat man die mitunter schwerwiegenden Konsequenzen der ärztlichen Fehlbehandlung in gesundheitlicher und gegebenenfalls auch finanzieller Hinsicht zu tragen ohne dass es zu einer Zahlung von Schmerzensgeld bzw. Schadensersatz kommt.

Was bedeutet Verjährung und welche Folgen hat sie?

Verjährung bedeutet, dass eine Forderung nicht mehr durchgesetzt werden kann, weil eine bestimmte Frist abgelaufen ist.

Dies mag zunächst nicht besonders fair erscheinen. Ziel des Rechts ist es aber auch, Rechtssicherheit und Rechtsfrieden herzustellen. Letzteres bedeutet, dass ein rechtlich streitiger Sachverhalt irgendwann einem Ende zugeführt werden muss. Aus diesem Grund gibt es in der Rechtsordnung verschiedene Ausprägungen, welche dafür sorgen sollen, dass rechtliche Auseinandersetzungen sich nicht eine unbestimmte Zeit hinziehen. Eine dieser Ausprägungen ist das Recht der Verjährung, welches in den §§ 194 ff BGB geregelt ist. In § 194 Abs. 1 BGB heißt es:

„Das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (Anspruch), unterliegt der Verjährung.“

Ein bestehender Anspruch kann also verjähren. Nach dem Eintritt der Verjährung ist ein Anspruch faktisch nicht mehr realisierbar. § 214 Abs. 1 BGB regelt nämlich folgendes:

„Nach Eintritt der Verjährung ist der Schuldner berechtigt, die Leistung zu verweigern.“

Ein verjährter Anspruch bleibt zwar im Grunde bestehen, jedoch muss der Schuldner ihn nicht mehr erfüllen. Der Schuldner kann sich sodann auf das Vorliegen der Verjährung berufen und die Erfüllung des Anspruchs verweigern.

Entscheidend ist also, dass sich der Schuldner auch ausdrücklich auf die Verjährung beruft, da die Verjährung von ihrer Rechtsnatur eine sogenannte Einrede ist. Das bedeutet, dass das Gericht die Verjährung der Ansprüche nicht automatisch prüft. Sofern also die Einrede der Verjährung nicht geltend gemacht wird, bleiben auch eigentlich verjährte Ansprüche weiter durchsetzbar.

Wie lang ist die Verjährungsfrist?

Ansprüche aus einer ärztlichen Fehlbehandlung verjähren in der regelmäßigen Verjährungsfrist. Die regelmäßige Verjährungsfrist ergibt sich aus dem Gesetz (§ 195 BGB) und beträgt 3 Jahre. Sie beginnt gemäß § 199 Absatz 1 BGB „mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste“.

Der Kenntnis gleichgestellt ist die grob fahrlässige Unkenntnis. Eine solche liegt vor, wenn sich der Verdacht einer fehlerhaften Behandlung aufdrängt.

Fazit: Die Verjährungsfrist beginnt gerade nicht mit dem Tag, an dem der vorgeworfene Behandlungsfehler stattfand. Dies ist ein weit verbreiteter Irrglaube unter Patientinnen und Patienten.  Vielmehr beginnt die Verjährungsfrist erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, also am 31.12. des Jahres, in dem die vorgeworfene Fehlbehandlung stattfand. Die Verjährungsfrist endet dann drei Jahre später mit Ablauf des jeweiligen 31.12.

Wann wird die Verjährungsfrist in Gang gesetzt?

Die Verjährungsfrist wird nicht automatisch in Gang gesetzt. Das Gesetz regelt in § 199 Absatz 1 BGB, dass die Verjährungsfrist erst zu laufen beginnt, wenn der Patient bzw. die Patientin Kenntnis (oder grob fahrlässige Unkenntnis) von einem Behandlungsfehler hat. Danach ist das entscheidende Kriterium für den Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist also nicht die fehlerhafte ärztliche Behandlung, sondern die Kenntnis des Patienten bzw. der Patientin von dem Behandlungsfehler.

Wann liegt Kenntnis von einem Behandlungsfehler vor?

Die Frage ist also, was unter „Kenntnis“ bzw. „grob fahrlässiger Unkenntnis“ von einem Behandlungsfehler zu verstehen ist.

Die Kenntnis vom Misserfolg oder einer Behandlungskomplikation reicht allein noch nicht für die Kenntnis eines haftungsrelevanten Behandlungsfehlers aus. Dem Patienten müssen vielmehr diejenigen Behandlungstatsachen positiv bekannt geworden sein, die – im Blick auf den Behandlungsfehler – ein ärztliches Fehlverhalten und – im Blick auf die Schadenskausalität – eine ursächliche Verknüpfung der Schadensfolge mit dem Behandlungsfehler bei objektiver Betrachtung nahelegen. Medizinische Detailkenntnisse sind nicht erforderlich.

Das setzt ein Grundwissen über den konkreten Behandlungsverlauf voraus, zu dem neben der Kenntnis der gewählten Therapiemethode auch gehört, dass der Patient die wesentlichen Umstände des konkreten Behandlungsverlaufs positiv kennt oder grob fahrlässig nicht kennt, d.h. auch Kenntnis von Tatbestand und Art des Eintretens von Komplikationen und die zu ihrer Beherrschung getroffenen ärztlichen Maßnahmen. Darüber hinaus erforderlich ist die Kenntnis eines vom medizinischen Standard abweichenden ärztlichen Verhaltens, weil erst diese Verletzung der Berufspflicht des Arztes dessen Haftung begründet.

Nicht erforderlich für die Kenntnis des Patienten ist die rechtliche Würdigung des Behandlungsfehlers. Dazu ist von dem Patienten bei Kenntnis von einem Behandlungsfehler bzw. einem sich aufdrängenden Verdacht zu verlangen, anwaltlichen Rat einzuholen, um den Sachverhalt rechtlich zu bewerten und die notwendigen rechtlichen Schritte zu klären.

Die reine Vermutung, Opfer einer Fehlbehandlung geworden zu sein, reicht nicht aus, um die Verjährungsfrist in Gang zu setzen. Das Gesetz erfordert vielmehr positive Kenntnis bzw. grob Fahrlässige Unkenntnis von einer fehlerhaften Behandlung. Hierzu müssen dem Patienten wesentliche Umstände des Behandlungsverlaufs bekannt sein.

Wann liegt Kenntnis von einem Aufklärungsfehler vor?

Die Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche können nicht nur aufgrund eines Behandlungsfehlers bestehen, sondern auch aufgrund einer Aufklärungspflichtverletzung. Wenn das Krankenhaus bzw. der Arzt nicht ordnungsgemäß über Risiken, Komplikationsmöglichkeiten und Behandlungsalternativen vorab aufgeklärt hat und sich genau diese Risiken verwirklicht haben, über die vor der Behandlung nicht gesprochen wurde, können auch Ansprüche aufgrund einer Aufklärungspflichtverletzung bestehen.

Bei Aufklärungsfehlern beträgt die zivilrechtliche Verjährungsfrist ebenfalls grundsätzlich drei Jahre. Diese Frist beginnt allerdings erst, wenn der Patient Kenntnis vom Aufklärungsfehler erlangt hat. Für diese Kenntnis reicht es nicht, dass der Patient von der unterlassenen Aufklärung weiß. Hinzutreten muss die Kenntnis des Patienten von den Tatsachen, aus denen sich die Verletzung der Aufklärungspflicht begründet. Dem Patienten muss positiv bekannt sein, dass das nach der Behandlung verwirklichte Risiko der Schädigung als Operationsrisiko dem behandelnden Arzt bekannt war oder hätte bekannt sein müssen und er deshalb den Patienten hierüber hätte aufklären müssen.

Gibt es Ausnahmen?

Zwar beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre. Jedoch gibt es Möglichkeiten, dass die Verjährung gehemmt wird, sodass die Verjährung erst später eintritt.

Relevant sind im Arzthaftungsrecht die folgenden Punkte:

  • Die Hemmung der Verjährung durch Verhandlungen

Gemäß § 203 BGB ist die Verjährung gehemmt, solange „zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände“ schweben.

Diesbezüglich ist aber große Vorsicht geboten. Es müssen ernsthafte Verhandlungen fortlaufen. Sofern nämlich „der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert“, endet die Verjährungshemmung, so dass die Verjährung weiterläuft.

Besondere Vorsicht ist geboten, wenn mit dem Krankenhausträger oder dessen Haftpflichtversicherer verhandelt wird. Es ist zunächst zu klären, ob der Krankenhausträger bzw. dessen Haftpflichtversicherer auch für den Arzt als Verursacher des Behandlungsfehlers handelt. Dazu muss der Arzt beim Haftpflichtversicherer des Krankenhauses mitversichert sein. Verhandlungen des geschädigten Patienten mit dem Krankenhausträger oder dessen Haftpflichtversicherer hemmen die Verjährung von Ansprüchen gegen den behandelnden Arzt nur dann, wenn nach den gesamten Umständen zweifelsfrei und eindeutig davon auszugehen ist, dass der auch für den verantwortlichen Arzt eintrittspflichtige Haftpflichtversicherer bei den Regulierungsverhandlungen nicht nur für seinen Versicherungsnehmer – also den Krankenhausträger – sondern auch für den Arzt als mitversicherte Person tätig geworden ist. Hat dabei der Haftpflichtversicherer erkennbar nur für den Krankenhausträger ge- und verhandelt, berührt dies den Lauf der Verjährung für Ansprüche gegen den behandelnden Arzt nicht.

  • Die Hemmung der Verjährung durch ein Schlichtungsverfahren bei der Ärztekammer

Geschädigten Patienten steht grundsätzlich die Möglichkeit offen, bei der jeweils zuständigen Ärztekammer ein Schlichtungsverfahren zu beantragen. Ein solches Schlichtungsverfahren bietet nicht nur die Möglichkeit, die Angelegenheit kostenlos durch einen Sachverständigen begutachten zu lassen und so Prozessrisiken auszuloten. Der Antrag auf Einleitung eines Schlichtungsverfahrens führt auch zur Hemmung der Verjährung der Ansprüche.

Grundsätzlich müssen alle Parteien einem solchen Schlichtungsverfahren zustimmen, damit die Schlichtungsstelle ihre Arbeit beginnen kann und es zu einer gutachterlichen Überprüfung kommt. Hinsichtlich der Hemmung der Verjährung ist jedoch keine Zustimmung der Behandlerseite auf Durchführung des Schlichtungsverfahrens erforderlich. Macht ein Patient wegen eines ärztlichen Kunstfehlers Ersatzansprüche bei einer von den Ärztekammern eingerichteten Schlichtungsstelle geltend, so tritt die Hemmung der Verjährung auch dann ein, wenn der Arzt oder die hinter ihm stehende Haftpflichtversicherung sich später auf das Schlichtungsverfahren nicht einlassen.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden (Urteil vom 17.01.2017 Az. VI ZR 239/15), dass ein Schlichtungsantrag, der bei einer Schlichtungsstelle oder Gutachterkommission einer Ärztekammer gestellt wird, die Verjährung hemmt, auch wenn der Arzt oder der hinter ihm stehende Haftpflichtversicherer der Durchführung des Schlichtungsverfahrens widersprechen.

Die Hemmung der Verjährung endet gemäß § 204 Abs. 2 S. 1 BGB frühestens sechs Monate nach der Einstellung des Güteverfahrens.

  • Die Hemmung der Verjährung durch Klageerhebung

Gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB wird der Ablauf der Verjährung insbesondere durch Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs gehemmt. Eine eingereichte Klage muss zwar wirksam sein, namentlich den Erfordernissen des § 253 ZPO entsprechen und im Anwaltsprozess von einem zugelassenen Rechtsanwalt erhoben werden. Unschädlich ist jedoch eine etwaige sonstige Unzulässigkeit der Klage. Auch eine unschlüssige oder unsubstantiierte Klage kann den Ablauf der Verjährung hemmen.

Zur Hemmung der Verjährung genügt regelmäßig die Einreichung der Klageschrift bei Gericht. Die Zustellung der Klage an den oder die Beklagten wirkt auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung zurück, wenn erstere „demnächst“ erfolgt (§ 167 ZPO), das heißt in nicht allzu erheblichem zeitlichem Abstand. Geschieht dies nicht, so kommt es darauf an, wer hierfür verantwortlich zeichnet: Liegt die Verzögerung im Verantwortungsbereich Dritter, namentlich etwa des Gerichts, kann diese dem Klageeinreicher nicht zugerechnet werden und eine Rückwirkung kommt gleichwohl in Betracht. Das ist auch der Fall, sofern sich etwaige Versäumnisse des Klageeinreichers tatsächlich nicht ausgewirkt haben. Ist hingegen die Verzögerung darauf zurückzuführen, dass der Klagende nicht alles ihm Zumutbare für eine alsbaldige Zustellung getan hat, kann ihm eine Rückwirkung der Zustellung nur (noch) zugutekommen, wenn die Verzögerung nicht mehr als 14 Tage ab Fristablauf beträgt.

Fazit

Als Patient müssen Sie sich über Arzthaftungsansprüche frühzeitig beraten lassen. Problematisch an der Verjährungsfrist bei Arzthaftungsansprüchen ist, dass sie erst bei Kenntnis des Behandlungsfehlers zu laufen beginnt und sich dieser Zeitpunkt nicht immer eindeutig bestimmen lässt. Außerdem kann die Verjährung zwischendurch auf verschiedene Weise gehemmt werden. Ob aber tatsächlich ein solcher Hemmungstatbestand greift, sollte durch einen Fachanwalt für Medizinrecht überprüft werden. Wird der Anspruch zu spät geltend gemacht bzw. eine Klage zu spät erhoben, kann der Gegner die Einrede der Verjährung erheben, und der Geschädigte geht leer aus, obwohl er schwer geschädigt ist und die Folgen der Fehlbehandlung zu tragen hat.

Unser Tipp: Wenden Sie sich bei Verjährungsfragen immer an einen Spezialisten für Arzthaftungsrecht. Nur dieser kann Ihnen sicher sagen, ab wann Sie mit der Verjährung rechnen müssen, ob Sie also noch abwarten können oder dringend handeln müssen!

Ein Beitrag von Daniel Mahr


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