Nach einem Arbeitsunfall erfolgt die medizinische Notfallbehandlung regelmäßig durch einen Durchgangsarzt (D-Arzt), der in der Regel ein Facharzt für „Orthopädie und Unfallchirurgie (mit der Zusatzbezeichnung „Spezielle Unfallchirurgie“)“ oder für „Chirurgie mit Schwerpunkt Unfallchirurgie ist. Der D-Arzt wird für den jeweiligen Unfallversicherungsträger, regelmäßig also für die einschlägige Berufsgenossenschaft, tätig. Der D-Arzt wird von den Trägern der Gesetzlichen Unfallversicherung durch öffentlich-rechtlichen Vertrag bestellt. Er hat die Aufgabe, nach Arbeits- und Wegeunfällen über den weiteren Therapieverlauf zu bestimmen und zu entscheiden, welche Fachärzte anderer Fachrichtungen gegebenenfalls hinzugezogen werden, ob er den Patienten in eigener Behandlung behält oder welche Nachschautermine er – bei Weiterbehandlung durch einen anderen Arzt – durchführt
Bei der medizinischen Notfallversorgung durch den D-Arzt können Behandlungsfehler passieren, die zu erheblichen Schäden führen. Es stellt sich die Frage, wer für die fehlerhafte Behandlung durch den D-Arzt haftet: Die Berufsgenossenschaft oder der D-Arzt persönlich?
Fehler bei der Entscheidung, wer richtiger Anspruchsgegner ist, wiegen oft schwer. Zum einen droht ein Prozessverlust und damit eine erhebliche Kostenlast, wenn der Falsche in Anspruch genommen wird. Zum anderen besteht die Gefahr, dass die Ansprüche gegen den richtigen Anspruchsgegner in der Zwischenzeit verjährt und damit nicht mehr durchsetzbar sind. Umso wichtiger ist es, sich von Anfang an von einer spezialisierten Fachanwaltskanzlei beraten zu lassen, damit in diesem entscheidenden Punkt keine Fehler passieren.
Handelt der Durchgangsarzt öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich?
Der D-Arzt kann sowohl öffentlich-rechtlich als auch privatärztlich handeln. Damit stellt sich die Frage, in welcher Rolle der D-Arzt auftritt, wenn er Behandlungsmaßnahmen an einem Patienten eines Arbeitsunfalls vornimmt.
Diese Beurteilung ist von erheblicher Bedeutung, da sich hiernach entscheidet, wer richtiger Anspruchsgegner in einem Klageverfahren ist. Haftet der Arzt persönlich, so ist maßgeblich auf die zivilrechtlichen Vorschriften der § 630a ff. BGB abzustellen. Handelt der D-Arzt hingegen öffentlich-rechtlich, so haftet hingegen die Berufsgenossenschaft als gesetzliche Unfallversicherung nach den Voraussetzungen des § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG.
Liegt eine ärztliche Heilbehandlung vor?
Die ärztliche Heilbehandlung ist regelmäßig nicht Ausübung eines öffentlichen Amtes im Sinne von Art. 34 GG. Auch stellt die ärztliche Behandlung nach einem Arbeitsunfall keine der Berufsgenossenschaft obliegenden Aufgabe dar. Der Arzt, der die ärztliche Heilbehandlung durchführt, übt deshalb kein öffentliches Amt aus und haftet für Fehler persönlich.
Ausübung eines anvertrauten öffentlichen Amtes?
Nach Art. 34 Satz 1 GG haftet anstelle eines Bediensteten, soweit dieser in Ausübung des ihm anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt hat, der Staat oder die Körperschaft, in dessen Dienst er steht. Die persönliche Haftung des Bediensteten – also des D-Arztes – ist in diesem Fall ausgeschlossen.
Ob sich das Handeln des D-Arztes als Ausübung eines öffentlichen Amts darstellt, bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn der D-Arzt tätig wurde, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innere Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls als noch dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muss. Dabei ist nicht auf die Person des Handelnden, sondern auf seine Funktion, das heißt auf die Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit dient, abzustellen.
Ist die Tätigkeit des Durchgangsarztes öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich?
Die Tätigkeit eines Durchgangsarztes ist nicht ausschließlich dem Privatrecht zuzuordnen. Bei der zu treffenden Entscheidung, ob die allgemeine oder die besondere Heilbehandlung erforderlich ist, erfüllt der Durchgangsarzt eine der Berufsgenossenschaft obliegende Aufgabe. Deshalb ist diese Entscheidung als Ausübung eines öffentlichen Amtes zu betrachten.
Ist seine Entscheidung über die Art der Heilbehandlung fehlerhaft und wird der Verletzte dadurch geschädigt, haftet für den Schaden nicht der Durchgangsarzt persönlich, sondern die Berufsgenossenschaft nach Art. 34 Satz 1 GG i.V.m. § 839 BGB. Gleiches gilt für die Überwachung des Heilungsverlaufs im Rahmen einer Nachschau, sofern sich der Durchgangsarzt dabei auf die Prüfung der Frage beschränkt, ob die bei der Erstvorstellung des Verletzten getroffene Entscheidung zugunsten einer allgemeinen Heilbehandlung aufrechterhalten oder der Verletzte in die besondere Heilbehandlung zu überweisen ist.
Darüber hinaus sind auch die vom Durchgangsarzt im Rahmen der Eingangsuntersuchung vorgenommenen Untersuchungen zur Diagnosestellung und die anschließende Diagnosestellung als hoheitlich im Sinne von Art. 34 Satz 1 GG, § 839 BGB zu qualifizieren. Diese Maßnahmen sind regelmäßig unabdingbare Voraussetzungen für die Entscheidung, ob eine allgemeine Heilbehandlung oder eine besondere Heilbehandlung erfolgen soll. Sie bilden die Grundlage für die der Berufsgenossenschaft obliegende, in Ausübung eines öffentlichen Amtes erfolgende Entscheidung, ob eine allgemeine Heilbehandlung ausreichend oder wegen der Art und Schwere der Verletzung eine besondere Heilbehandlung erforderlich ist, und stehen mit ihr in einem inneren Zusammenhang. Gleiches gilt für die – in § 27 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII gesondert neben der ärztlichen und zahnärztlichen Behandlung angeführte – Erstversorgung durch den Durchgangsarzt.
Zielsetzung des Durchgangsarztes
Selbst wenn der Patient dem D-Arzt mitteilt, es habe ein Arbeitsunfall vorgelegen, was aber nicht der Wahrheit entspricht, aber der D-Arzt aufgrund der Angaben des Patienten das durchgangsärztliche Verfahren einleitet und durchführt, ist die Zielsetzung dennoch einer hoheitlichen Tätigkeit zuzuordnen. Auch wenn der Patient dem D-Arzt mitteilt, er sei Mitglied einer Berufsgenossenschaft und es habe ein Arbeitsunfall vorgelegen, obwohl dies nicht der Fall ist, so ist dies rechtlich ohne Belang für die Frage der Einordnung, ob der D-Arzt in Ausübung des ihm anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt hat, da durch diese Umstände die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn der D-Arzt tätig wurde, nicht berührt wird. In der Regel waren dem D-Arzt solche Umstände im Rahmen seines Tätigwerdens nicht bekannt und er hat in der Regel auch keinen Anlass, die Angaben eines Patienten in Zweifel zu ziehen.
Fazit
Die Erstversorgung des Verletzten gehört zu der öffentlich-rechtlichen Aufgabe des D‑Arztes. Kommt es bei den vorbereitenden Maßnahmen oder der Erstversorgung zu Behandlungsfehlern, haftet somit die Berufsgenossenschaft.
Wenn der D-Arzt dann – nachdem er eine Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ der Heilbehandlung getroffen hat – im Rahmen der allgemeinen oder besonderen Heilbehandlung die Weiterbehandlung des Patienten übernimmt, und ihm dabei ein Behandlungsfehler unterläuft, haftet er nach allgemeinen Grundsätzen zivilrechtlich selbst.
Entscheidend für die Frage, wer für Fehler einer durchgangsärztlichen Behandlung haftet, ist also, zu welchem Zeitpunkt der Behandlungsfehler begangen wurde. Wenn der Behandlungsfehler bei der Erstversorgung stattfand, dann haftet die Berufsgenossenschaft. Fand der Behandlungsfehler (später) im Rahmen der Heilbehandlung durch den D-Arzt statt, dann haftet der D-Arzt persönlich.
Insofern ist das Behandlungsgeschehen ganz genau durch Spezialisten zu überprüfen, damit die Schadensersatzansprüche gegen den richtigen Anspruchsgegner geltend gemacht werden. Werden die Schadensersatzansprüche gegen den falschen Anspruchsgegner geltend gemacht, führt dies nicht nur zum Prozessverlust. Vielmehr besteht auch die Gefahr, dass die Schadensersatzansprüche gegen den richtigen Anspruchsgegner in der Zwischenzeit verjährt sind, sodass diese nicht mehr erfolgreich durchgesetzt werden können. Um so wichtiger ist es, sich von Spezialisten beraten zu lassen
Ein Beitrag von Daniel Mahr