Die ordnungsgemäße Aufklärung des Patienten ist eine berufliche Pflicht jedes Arztes. Diese hat der Gesetzgeber inzwischen sogar in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) aufgenommen.
Wozu ist der Arzt gesetzlich verpflichtet?
Gemäß § 630 e Abs. 1 BGB ist der Arzt verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Insbesondere ist der Arzt verpflichtet den Patienten über Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der vorgeschlagenen Maßnahme zu informieren. Auch über Notwendigkeit, Dringlichkeit und Erfolgsaussichten muss der Arzt aufklären. Der genaue Inhalt der Aufklärung richtet sich nach der konkreten medizinischen Maßnahme. So ist beispielsweise nicht pauschal über alle in der Medizin denkbaren Risiken aufzuklären, sondern über diejenigen, die konkret mit der geplanten Maßnahme verbunden sind. Ist einer der Risiken bei dem Patienten durch seine individuellen Gegebenheiten zusätzlich erhöht, muss über das erhöhte Risiko besonders aufgeklärt werden.
Der Patient ist, wie das Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil (Urteil vom 11.10.2016 – Az. VI ZR 462/15) ausgeführt hat, auch über Risiken aufzuklären, die sich nur selten verwirklichen:
Dabei ist über schwerwiegende Risiken, die mit einer Operation verbunden sind, grundsätzlich auch dann aufzuklären, wenn sie sich nur selten verwirklichen. Entscheidend für die ärztliche Hinweispflicht ist, ob das betreffende Risiko dem Eingriff spezifisch anhaftet und es bei seiner Verwirklichung die Lebensführung des Patienten besonders belastet (Senatsurteile vom 30. September 2014 – VI ZR 443/13, VersR 2015, 196 Rn. 6; vom 15. Februar 2000 – VI ZR 48/99, BGHZ 144, 1, 5 f.; vom 21. November 1995 – VI ZR 341/94, VersR 1996, 330, 331; vom 7. Februar 1984 – VI ZR 174/82, BGHZ 90, 103, 106).
Der Patient muss allerdings, wie das BGH weiter in seiner Entscheidung ausführt, nur „im Großen und Ganzen“ über die Chancen und Risiken aufgeklärt werden:
Nicht erforderlich ist die exakte medizinische Beschreibung der in Betracht kommenden Risiken. Dem Patienten muss aber eine allgemeine Vorstellung von dem Ausmaß der mit dem Eingriff verbundenen Gefahren vermittelt werden, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern (vgl. Senatsurteile vom 6. Juli 2010 – VI ZR 198/09, VersR 2010, 1220 Rn. 11; vom 14. März 2006 – VI ZR 279/04, BGHZ 166, 336 Rn. 13; vom 7. April 1992 – VI ZR 192/91, VersR 1992, 960, 961; vom 7. Februar 1984 – VI ZR 174/82, BGHZ 90, 103, 106, 108).
Reicht eine formularmäßige Aufklärung aus?
Eine formularmäßige Aufklärung reicht nicht aus. Die Aufklärung muss mündlich erfolgen. Es kann aber ergänzend auf Broschüren, Formulare oder Aufklärungsbögen, die der Patient in Textform erhält, Bezug genommen werden (§ 630 e Abs. 2 Nr. 1 BGB). Das bedeutet, dass Merkblätter oder Formulare das Aufklärungsgespräch zwar vorbereiten und ergänzen, jedoch das Gespräch an sich nicht ersetzten können.
Durch wen muss die Aufklärung erfolgen?
Die Aufklärung muss grundsätzlich durch den behandelnden Arzt erfolgen. Die Aufklärung darf der Arzt jedoch auf eine andere Person delegieren, die hinsichtlich der Behandlungsmethode die notwendige Ausbildung hat (§ 630 e Abs. 2 Nr. 1 BGB).
Wann muss die Aufklärung erfolgen?
Abgesehen von Notfällen, muss der Zeitpunkt der Aufklärung so ausgewählt werden, dass der Patient ausreichend Zeit hat, um Risiken der Maßnahme für sich individuell abzuwägen und seine Entscheidung hinsichtlich dieser Maßnahme zu treffen. Grundsätzlich gilt eine Aufklärung am Tag und Vorabend des Eingriffs als verspätet. Im Einzelfall kommt es jedoch auf den Eingriff und die Gesamtumstände an. Maßgeblich ist, ob die Entscheidungsfreiheit des Patienten eingeschränkt wird.
Wann muss über alternative Behandlungsmethoden aufgeklärt werden?
Bestehen mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte Methoden, die jedoch mit unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen verbunden sind, muss der Arzt auf diese Alternativen hinweisen (§ 630 e Abs 1. S. 2 BGB).
Was passiert, wenn ein sprachliches Problem besteht?
Der aufklärende Arzt muss sicherstellen, dass der Patient die Aufklärung auch tatsächlich verstanden hat. Die Aufklärung bringt nichts, wenn der Patient kein Deutsch oder nur schlecht versteht. Sobald der Arzt merkt, dass eine sprachliche Barriere besteht, muss er einen sprachkundigen Dritten hinzuziehen.
Was ist eine Sicherungsaufklärung?
Die Sicherungsaufklärung (auch therapeutische Aufklärung genannt) ist Aufklärung über das therapiegerechte eigene Verhalten des Patienten und über mögliche Folgen beim Verstoß gegen dieses gesundheitsfördernde Verhalten. Nur wenn der Patient informiert ist, wie er die Therapie durch eigenes Verhalten fördern kann, kann er dies auch anwenden. Daher ist die Sicherungsaufklärung ein Teil der Therapie und daher stellt ein Verstoß gegen die Sicherungsaufklärung keinen Aufklärungsfehler, sondern einen Behandlungsfehler dar.
Wann ist die Aufklärung entbehrlich?
Grundsätzlich muss der Patient vor jedem Eingriff aufgeklärt werden. Ausnahmsweise kann die Aufklärung entbehrlich sein, wenn die Maßnahme unaufschiebbar ist (§ 630 e Abs. 3, 1 Alt. BGB). Das ist in Notsituationen der Fall. Auch kann die Aufklärung entbehrlich sein, wenn der Patient auf sie ausdrücklich verzichtet hat (§ 630 e Abs. 3, 2 Alt. BGB).
Wer trägt die Beweislast für die Aufklärung?
Im Unterschied zum ärztlichen Behandlungsfehlers, dessen Vorliegen der Patient darlegen und beweisen muss, trägt der Arzt die Beweislast dafür, dass er den Patienten ordnungsgemäß aufgeklärt hat.
Welche Folgen hat ein Verstoß gegen die ärztliche Aufklärungspflicht?
Gelingt es dem Arzt im Prozess nicht nachzuweisen, dass er den Patienten vor dem Eingriff hinreichend und rechtzeitig aufgeklärt hat, wird der Eingriff aufgrund der dadurch unwirksamen Einwilligung des Patienten als rechtswidrig angesehen. Denn nach § 630 d Abs. 2 BGB setzt die Wirksamkeit einer Einwilligung voraus, dass der Patient vorher ordnungsgemäß aufgeklärt wurde. Alleine dieser Umstand kann die Haftung des Arztes begründen. Hat sich nämlich ein typisches Risiko des Eingriffs realisiert und wurde der Patient über dieses Risiko nicht aufgeklärt, haftet der Arzt auch, wenn der Eingriff an sich behandlungsfehlerfrei war.
Fazit
Die Aufklärungspflicht des Arztes resultiert aus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten. Der Patient kann über sich selbst nämlich praktisch nur bestimmen, wenn er über alle wesentlichen Umstände der Behandlung informiert ist.
Die ärztliche Aufklärungspflicht ist im § 630 e BGB geregelt. Demnach ist der Arzt verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände rechtzeitig aufzuklären, damit der Patient frei seine Entscheidung über den Eingriff treffen kann. Die Aufklärung muss mündlich erfolgen. Im Notfall, wenn keine Zeit für die Aufklärung besteht, bedarf es keiner Aufklärung.
Über Alternativen muss der Arzt nur Aufklären, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte Methoden bestehen, die jedoch mit unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen verbunden sind. Im Arzthaftungsprozess muss der Arzt beweisen, dass er den Patienten ordnungsgemäß und rechtzeitig aufgeklärt hat. Der genaue Inhalt der Aufklärung richtet sich nach dem geplanten Eingriff. Wenn sich das nicht aufgeklärte Risiko realisiert hat, haftet der Arzt auch, wenn ihm kein Behandlungsfehler vorzuwerfen ist.
Ein Beitrag von Anna Hannen