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Belegarzt oder Krankenhausträger – wer haftet für Behandlungsfehler?

Ein sogenannter Belegarzt ist in der Regel ein niedergelassener Arzt, der nicht vertraglich in einem Krankenhaus angestellt ist, jedoch berechtigt ist eigene Patienten in Betten dieses Krankenhauses (Belegbetten) zu behandeln und diese Betten mit den Patienten zu belegen. Dies kann stationär oder teilstationär passieren. Dafür nutzt der Belegarzt die Einrichtung des Krankenhauses. Eine Vergütung durch das Krankenhaus erfolgt nicht (§ 18 Abs. 1 Krankenhausentgeltgesetz; § 121 Abs. 2 SGB V).

Der Klinikträger demgegenüber ist verpflichtet, die Voraussetzungen für die belegärztliche Tätigkeit zu schaffen. So sind unter anderem Behandlungsräume, medizinisches Gerät sowie das allgemeine nachgeordnete ärztliche und nichtärztliche Personal zur Verfügung zu stellen.

Der Vertrag zwischen Belegarzt und Klinikträger wird als Dauerschuldverhältnis besonderer Art angesehen. Er enthält Elemente der Leihe oder Miete und, soweit der Klinikträger den Belegarzt ärztlich und nichtärztliche Hilfspersonen zur Verfügung zu stellen hat, auch der Dienstverschaffung.

Ein Belegarzt muss durch die Kassenärztliche Vereinigung anerkannt sein, um diesen Beruf auszuüben.

Wer haftet für Behandlungsfehler?

Wenn es im Rahmen der belegärztlichen Behandlung im Krankenhaus zu Behandlungsfehlern kommt, stellt sich die Frage, wer richtiger Anspruchsgegner ist, um Schmerzensgeld und Schadensersatzansprüche erfolgreich geltend machen zu können. In Betracht kommen der Belegarzt selbst, das Krankenhaus bzw. der Krankenhausträger oder eine gemeinschaftliche Haftung von Belegarzt und Krankenhausträger.

Die Vertragsbeziehungen bei einer belegärztlichen Behandlung

Bei einer belegärztlichen Behandlung besteht grundsätzlich ein Behandlungsvertrag zwischen dem Patienten und dem Belegarzt, der bereits vor der stationären Aufnahme in die Belegabteilung begründet worden ist. Jedenfalls besteht ein solcher Behandlungsvertrag mit dem Belegarzt oder dessen Gemeinschaftspraxis weiter, wenn der Belegarzt die ambulant begonnene Behandlung stationär fortsetzt.

Für den Leistungsbereich der allgemeinen Krankenhausleistungen ist Vertragspartner gegenüber dem Patienten ausschließlich der Klinikträger. Zu seinem originären Leistungsbereich gehört gleichermaßen die Bereitstellung der erforderlichen technisch-operativen Einrichtungen und die Organisation ihrer Benutzung durch das Hilfspersonal im Leistungsbereich des Klinikträgers wie auch die Bereitstellung der zur Erbringung der allgemeinen Krankenhausleistungen erforderlichen personellen Ausstattung unter Einschluss der allgemeinen Krankenhausorganisation durch Weisung und Überwachung.

Der gespaltene Krankenhausaufnahmevertrag

Bei einer belegärztlichen Behandlung spricht man von einem sogenannten gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrag, welcher das Außenverhältnis zum Patienten bestimmt. Dem gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrag liegt die Leitidee vertraglicher Aufspaltung der Haftung für die klinische Gesamtversorgung des Patienten in getrennte Leistungs- und Haftungsbereiche zugrunde.

Die Verantwortungsbereiche bei einem gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrag sind getrennt: Der Belegarzt ist allein zur Erbringung der ärztlichen Leistungen im eigenen Fachgebiet verspflichtet und haftet hierfür alleinverantwortlich. Das Belegkrankenhaus schuldet grundsätzlich nur die nichtärztliche bzw. ergänzende ärztlichen Versorgungsleistungen (beispielsweise Anästhesie) und pflegerische Dienste. Aus dieser Trennung der vertraglichen Leistungs- und Verantwortungsbereiche zwischen Belegarzt und Belegkrankenhaus folgt, dass es grundsätzlich keine „Gemeinschaft“ und keine gesellschaftsrechtlichen Vertragsverhältnisse (§§ 705 ff. BGB) mit entsprechender gemeinschaftlicher Haftung zwischen Belegarzt und Belegkrankenhaus gibt. Es gilt das Prinzip der Haftungstrennung. Deshalb kann dem Belegkrankenhaus selbst grundsätzlich ein eindeutiges Fehlverhalten des Belegarztes nicht gemäß § 278 BGB zugerechnet werden (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 26.07.2000 – 1 U 1606/98 -, Rn. 42, juris – siehe auch OLG Hamm GesR 2006, 120 ff.; OLG Karlsruhe, OLG Karlsruhe, OLGR 2005, 40 ff.).

Fazit: Der Belegarzt haftet grundsätzlich für die belegärztlichen Behandlungsleistungen. Der Klinikträger haftet für die allgemeinen Krankenhausleistungen.

Haftet der Klinikträger für Fehler des Belegarztes?

Der Belegarzt haftet aus eigener fehlerhafter ärztlicher Behandlung im belegärztlichen Leistungsbereich dem Patienten (Privatpatient oder Kassenpatient) allein. Ein Belegarzt ist in der ärztlichen Behandlung seines Patienten, selbst wenn er sich als leitender Arzt oder Chefarzt bezeichnet, nicht Erfüllungsgehilfe des Belegkrankenhauses (§ 2 Abs 1. Satz 2 Krankenhausentgeltgesetz). Gleiches gilt für die Leistungen einer Beleghebamme bzw. eines Belegentbindungspflegers. Sie handeln in diesem Bereich ausschließlich in Erfüllung eigener Verpflichtungen. Eine Haftung des Krankenhausträgers kommt im eigenen belegärztlichen Leistungsbereich grundsätzlich nicht in Betracht.

Im Sektor seiner Gestellungspflichten ist der Klinikträger haftbar, insbesondere für Qualitätsmängel der Behandlung aus seiner personellen und/oder apparativen Minderausstattung sowie aus Säumnissen der allgemeinen Klinikorganisation wie der Sorge für den Klinikbetrieb in ausreichendem Maße sicherstellende ärztliche Anordnungen einschließlich der Organisation der ärztlichen Versorgung.

Fazit: Der Belegarzt haftet für die von ihm begangenen fehlerhaften Behandlungen selbst, nicht das Krankenhaus. Im Rahmen seiner Leistungen und seines Fachgebiets haftet der Belegarzt gem. § 278 BGB auch für das am Krankenhaus angestellte ärztliche und nicht-ärztliche Personal, soweit es ihm bei der Erfüllung seiner eigenen Verbindlichkeiten aus dem Belegarztvertrag mit dem Patienten behilflich ist.

Gibt es Ausnahmen?

Die Frage ist, ob es auch im Fall eines gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrages eine Ausnahme gibt und einem Patienten ein direkter vertraglicher und deliktischer Anspruch gegen das Belegkrankenhaus wegen ärztlichen Fehlverhaltens des Belegarztes zusteht.

Sowohl niedergelassene Ärzte als auch Krankenhausträger sind zu einer sachgerechten Organisation, Koordination und Überwachung der Behandlungsabläufe verpflichtet. Wird durch einen Verstoß gegen diese weit ausgelegte Pflicht bei einem Patienten ein Schaden verursacht, kommt eine Haftung unter dem Gesichtspunkt des Organisationsverschuldens in Betracht (Anschlag, ZfSch 2011, 245 – 251).

Eine solche Verpflichtung ergibt sich auch aus §§ 611, 241 Abs. 2 BGB. Für das Belegkrankenhaus besteht als Nebenpflicht aus dem Krankenhausaufnahmevertrag die Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Patienten. Das Belegkrankenhaus hat sich grundsätzlich so zu verhalten, dass bei der Abwicklung des Vertragsverhältnisses insbesondere Körper und Leben des Patienten nicht verletzt werden. Bei der konkreten Ausgestattung dieser Nebenpflicht ist weiter zu berücksichtigen, dass sich ihr Inhalt auch an den jeweiligen Einwirkungs- und Kenntnismöglichkeiten der Vertragsparteien sowie dem Grad der Gefahr und der Art des bedrohten Rechtsgutes orientieren (vgl. Westermann in: Ermann, BGB, 15. Aufl. 2017; § 241 BGB, Rn. 11).

Demgemäß darf das Belegkrankenhaus keine belegärztliche Tätigkeit in seinem  Hause ermöglichen, von der es aufgrund eigener Erkenntnisse annehmen muss, dass sich diese belegärztliche Tätigkeit schädigend für Patienten auswirken könnte.

Fazit

Grundsätzlich haftet der Belegarzt für eine Fehlleistung in der ärztlichen Behandlung allein. Eine Haftung des Belegkrankenhauses bzw. des Klinikträgers für ärztliche Fehler des Belegarztes kommt in der Regel nicht in Betracht. Eine Zurechnung ärztlichen Fehlverhaltens des Belegarztes an den Krankenhausträger findet nicht statt. Etwas anderes gilt nur, wenn eine Nebenpflicht des Belegkrankenhauses aus dem Krankenhausaufnahmevertrag verletzt wurde. Wenn der Krankenhausträger also eigene Erkenntnisse besitzt, dass der Belegarzt durch seine Tätigkeit im Belegkrankenhaus Patienten schädigt, kommt eine eigenständige Haftung des Belegkrankenhauses für das Verhalten des Belegarztes unter dem Gesichtspunkt eines eigenen Organisationsverschuldens des Belegkrankenhauses in Betracht.

Hintergrund: Wenn beispielsweise der Krankenhausträger weiß, dass es sich beim Belegarzt um einen Alkoholiker handelt, der unter erheblichem Alkoholeinfluss Patienten im Belegkrankenhaus operiert und es dadurch zu Schädigungen beim Patienten kommt, so haftet nicht nur der Belegarzt für dieses (grobe) Fehlverhalten, sondern ausnahmsweise auch der Krankenhausträger selbst aufgrund eigenen (Organisations-)Verschuldens (vgl. hierzu: Urteil Landgericht Münster vom 01.03.2018, Az. 111 O 25/14).

Ein Beitrag von Daniel Mahr

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