Erfahrungen & Bewertungen zu Rechtsanwälte Mahr Hannen

Kaiserschnittoperation bei Beckenendlage des Kindes – Worüber muss der Arzt aufklären?

Vielen Frauen ist es gar nicht bewusst, dass sie sich bei Beckenendlage des Kindes nicht zwingend für eine Kaiserschnittgeburt entscheiden müssen. Die Ärzte stellen Kaiserschnitt als die einzig richtige Option dar, obwohl es nicht richtig ist und einen ärztlichen Aufklärungsfehler darstellt. Anhand des vom Landgericht Wiesbaden entschiedenen Fall zum Aktenzeichen 2 O 308/18, möchten wir Ihnen die Handlungsmöglichkeiten und Aufklärungspflichten des Arztes bei Steißlage des Kindes darstellen.

Worum genau ging es in dem Fall?

Die Klägerin verlangte Schmerzensgeld und Feststellung bezüglich der immateriellen und materiellen Schäden, nachdem sie in Folge einer Kaiserschnittoperation Asherman Syndrom erlitten hat.

Aufgrund der Beckenendlage des Kindes wurde mit der Klägerin ein Termin für die Kaiserschnittoperation vereinbart. An dem vereinbarten Termin wurde die Tochter der Klägerin geboren. In der Folgezeit stellte sich heraus, dass in der Gebärmutter ein Plazentarest verblieben ist, der in die Gebärmutterwand eingewachsen war. Daraufhin wurde eine Kurettage durchgeführt. Einige Zeit später hatte die Klägerin einen erneuten Kinderwunsch. Dieser konnte jedoch nicht erfüllt. Nach einer umfangreichen Befunderhebung, wurde die Ursache gefunden. Es stellte sich heraus, dass es bei der Klägerin zum Asherman Syndrom II. Grades gekommen ist. Trotz einer 3-monatigen Hormontherapie sowie einer operativen Hysteroskopie zur Rekonstruktion der Gebärmutterhöhle, konnte keine Schwangerschaft herbeigeführt werden.

 Was haben die Ärzte falsch gemacht?

Der vom Landgericht beauftragte Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin nicht richtig aufgeklärt wurde. „Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn die Schwangere bei einer Steißlage nicht über die Möglichkeit einer äußeren Wendung, gegebenenfalls auch in einer anderen Klinik, aufgeklärt wird“.  In dem vorliegenden Fall habe es nicht ausgereicht, dass die Klägerin sehr generell über die Möglichkeit der Geburt in Steißlage in anderen Kliniken aufgeklärt wurde.

Bei einer Steißlage bestehen drei Optionen, nämlich eine äußere Wendung, eine Spontanentbindung in Beckenendlage und einen primären Kaiserschnitt.

Zu der ordnungsgemäßen Aufklärung hätte zudem gehört, dass die Klägerin über die Vorteile der natürlichen Geburt gegenüber der Durchführung des Kaiserschnitts informiert wird.

Da die Leitlinien bezüglich der Aufklärungspflicht bei Feststellung einer Steißlage des Kindes sowohl national als auch international völlig eindeutig seien, so dass „die Schwangere in jedem Fall über die Möglichkeit einer äußeren Wendung aufgeklärt werden muss“, hat das Landgericht in dem vorliegenden Fall den Aufklärungsfehler als eine grundlose Abweichung von der Leitlinie und somit als einen groben Fehler gewertet.

Grober Behandlungsfehler – welche Folgen hatte die Bewertung des Landgerichts?

Die Bewertung des Landgerichts, dass gegen die Aufklärungspflicht in dem vorliegenden Fall in einer groben Art und Weise verstoßen wurde, führte zur Anwendung der durch das Bundesgerichtshof (BGH) anerkannten Grundsätze zur Beweislastumkehr: „Liegt ein grober Behandlungsfehler vor, ist es für die Annahme einer Beweislastumkehr zwischen dem Behandlungsfehler und dem Eintritt des Primärschadens ausreichend, wenn der grobe Behandlungsfehler generell geeignet ist, einen konkreten Gesundheitsschaden hervorzurufen. Nahelegen oder wahrscheinlich machen, muss der Fehler den Schaden hingegen nicht“. (BGH, Urteil vom 19.06.20212 – VI ZR 77/11).

Da ein Kaiserschnitt generell geeignet ist, die Chancen auf eine weitere Schwangerschaft um 25% zu reduzieren und es der Gegenseite nicht gelungen ist, zu beweisen, dass die Unfruchtbarkeit der Klägerin keine Folge des Kaiserschnitts war, hat das Landgericht die Voraussetzungen des Schmerzensgeldes- sowie Feststellungsanspruches als erfüllt gesehen. Denn die unterbliebene Aufklärung der Klägerin war kausal für deren Einwilligung in die Durchführung des Kaiserschnitts.

Welche Entschädigung hat das Landgericht in dem konkreten Fall zugesprochen?

Unter Berücksichtigung des groben Behandlungsfehlers hat die Kammer ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000,00 € als angemessen gehalten.

Da weitere Behandlungskosten nicht ausgeschlossen waren, wurde zudem dem Feststellungantrag der Klägerin entsprochen. Das bedeutet, dass die Klägerin auch künftige Kosten bei der Ärzteseite liquidieren kann, soweit sie Kosten für die Behandlung der Folgen des Behandlungsfehlers darstellen.

Wieso ist ein Kaiserschnitt keine reguläre Alternative zu einer natürlichen Geburt?

Der Sachverständige hat ausgeführt, dass ein Kaiserschnitt keine reguläre Alternative zu einer natürlichen Geburt sei, da „Auch bei einer Steißlage müsse die Schwangere nach der einschlägigen Leitlinie über die Möglichkeit eine äußere Drehung des Kindes sowie auch über die Möglichkeit einer Geburt in Steißlage aufgeklärt werden. Gegebenenfalls müsse die Klinik auch nach der Leitlinie darüber aufklären, ob sie über ausreichende Erfahrung zur Durchführung einer Geburt in Steißlage verfügt und der Schwangeren Gelegenheit geben, sich für eine andere Klinik zu entschieden“.

Nach der Erfahrung des Sachverständigen entscheiden sich fast 100% der Frauen nach einer umfassenden Aufklärung für den Versuch einer äußeren Wendung. Wenn diese nicht gelinge, entscheiden sich mehr als 50% der Frauen dafür, ihr Kind in Steißlage zur Welt zu bringen.

Welche Vorteile hat eine natürliche Geburt gegenüber einem Kaiserschnitt? / Welche Risiken bringt ein Kaiserschnitt mit sich?

Eine natürliche Geburt bringt in jeder Hinsicht geringere Risiken für Mutter und Kind geringere Risiken mit sich, als ein Kaiserschnitt. Unter anderem bestehe nach einer natürlichen Geburt eine bessere Chance auf eine weitere Schwangerschaft. Bei Durchführung eines geplanten Kaiserschnitts liege das Risiko für eine Infertilität der Frau nach Studien zwischen 18% und 25%. Zudem wird das Risiko für Komplikationen in Folgeschwangerschaften signifikant erhöht. Insbesondere besteht das Risiko, dass die Plazenta in die Gebärmutterwand einwächst. Zudem bestehe ein hochsignifikant erhöhtes Risiko, dass weitere Geburten ebenfalls als Kaiserschnitt stattfinden müssen. Das Risiko der weiteren Kaiserschnittgeburten liege zwischen 50 und 100%. Außerdem bestehe ein hohes Risiko von Blutungen und Verlust der Gebärmutter.

Wie gefährlich ist ein Kaiserschnitt für das Kind?

Ein Kaiserschnitt bringe für das Kind das Risiko von Störungen der Atemanpassung, Infektionen und im späteren Leben Bluthochdruck, Diabetes und Fettleibigkeit mit sich.

Fazit

Ein Kaiserschnitt ist keine reguläre Alternative zu einer natürlichen Geburt. Auch bei einer Steißlage muss die Schwangere nach der einschlägigen Leitlinie über die Möglichkeit einer äußeren Drehung des Kindes sowie auch über die Möglichkeit einer Geburt in Steißlage aufgeklärt werden. In diesem Zusammenhang muss die Klinik auch darüber aufklären, ob sie über ausreichend Erfahrung zur Durchführung einer Geburt in Steißlage verfügt. Die Schwangere muss sodann die Möglichkeit haben, sich für eine Geburt in der anderen Klinik zu entscheiden. Unterlässt die Klinik diese Aufklärung, handelt es sich um einen eindeutigen Verstoß gegen die Leitlinie. Wird ein Kaiserschnitt durchgeführt, obwohl die Schwangere nicht ordnungsgemäß aufgeklärt wurde, liegt darin ein grober Behandlungsfehler vor.

Ein Beitrag von Anna Hannen

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