Schmerzensgeld und Schadensersatz – Die Entschädigung im Arzthaftungsrecht
Unterläuft einem Arzt ein Fehler, kann der geschädigte Patient eine angemessene Entschädigung verlangen. In diesem Fall muss der Arzt oder das Krankenhaus finanzielle Nachteile ausgleichen und Schmerzensgeld zahlen. Ein Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz besteht jedoch nur, wenn der Behandlungsfehler zu einem Gesundheitsschaden geführt hat. Eine Entschädigung steht dem Patienten ebenfalls bei einem Aufklärungsfehler zu, wenn sich das nicht aufgeklärte Risiko in Form eines Gesundheitsschadens realisiert hat.
Was ist der Unterschied zwischen dem Schmerzendgeld und dem Schadensersatz?
Das Schmerzensgeld ist im § 235 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt. Mit dieser Regelung betont der Gesetzgeber, dass grundsätzlich nur ein Vermögensschaden zu ersetzen ist. Nach § 253 Abs. 1 BGB kann ein Schaden, der kein Vermögensschadens ist, nur in Ausnahmefällen kompensiert werden. Diese Ausnahmefälle werden durch den Gesetzgeber im § 253 Abs. 2 BGB konkretisiert: Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung.
Da im Falle von Arzthaftung der Körper des Patienten bzw. seine Gesundheit geschädigt wird, greift die vom Gesetzgeber vorgesehene Ausnahme mit der Folge, dass neben dem Schadensersatz auch Schmerzensgeld verlangt werden kann.
Demnach unterscheidet der Gesetzgeber zwischen dem materiellen Schaden, für welchen der Arzt Schadensersatz zu leisten hat und dem immateriellen Schaden, der mit Schmerzensgeld zu kompensieren ist.
Welche Rolle spielen die Schmerzensgeldtabellen?
Die Bemessung des Schmerzensgeldes ist nicht einfach. Das Schmerzensgeld soll einer angemessenen Entschädigung dienen. Wie lässt sich jedoch die Angemessenheit bei einem nicht bezifferbaren Schaden messen?
Bei der Bezifferung des immateriellen Schadens können die so genannten Schmerzensgeldtabellen hilfreich sein. In den Schmerzensgeldtabellen werden Gerichtsurteile aufgelistet, bei denen Schmerzensgeld zugesprochen wurde. Die bekanntesten Schmerzensgeldtabellen sind:
• Beck’sche Schmerzensgeldtabelle
• Hacks’sche Schmerzensgeldtabelle (Hacks/Ring/Böhm)
• Schmerzensgeldtabelle des Oberlandesgerichts Celle
Die Schmerzensgeldtabellen und die dort aufgeführten Entscheidungen können jedoch lediglich als Orientierung dienen. Maßgeblich ist nämlich die individuelle Betrachtung des Falles. Auch ist die Tendenz der Rechtsprechung zur Zuerkennung höherer Schmerzensgeldbeträge zu berücksichtigen.
Schadensersatz – die Entschädigung des materiellen Schadens
Neben dem Schmerzensgeld können geschädigte Patienten die tatsächlich erlittene Vermögenseinbußen ersetzt verlangen. Wenn das Erwerbseinkommen bedingt durch einen Behandlungsfehler zurückgeht oder Verdienstausfälle (zum Beispiel durch den Wegfall oder die Reduzierung des Erwerbseinkommens) entstehen, so sind diese Schäden ebenfalls von dem Arzt oder dem Krankenhaus zu ersetzen.
Auch Kosten, die für die Pflege oder Hilfsmittel anfallen, sind im Wege des Schadensersatzes durch den Arzt zu ersetzen, sofern diese Leistungen nicht durch die Krankenkasse des geschädigten Patienten getragen werden. In diesem Falle gehen die Ansprüche auf die Krankenkasse über.
Eine nicht zu unterschätzende Schadensposition stellt der Haushaltsführungsschaden dar. Der Haushalt ist ein wichtiger Bestandteil eines jeden Lebens. Wenn plötzlich die Person, die sich um die Wäsche, das Kochen und das Einkaufen kümmert, verletzungsbedingt ausfällt, kann die Familie unter bestimmten Voraussetzungen die Kosten für eine Haushaltshilfe ersetzt verlangen. Nimmt sie diese nicht in Anspruch, so steht der geschädigten Person als Kompensation für die geleistete Mehrarbeit im Haushalt durch andere Familienangehörige ein Schadensersatz in Form des Haushaltsführungsschadens zu.
Ebenso fallen Kosten für bedarfsgerechte Umbaumaßnahmen in der Wohnung, dem Haus oder dem Auto unter den Begriff „Schadensersatz“. Auch können geschädigte Patienten Kosten für Autofahrten zu Arztterminen, Anwaltskosten, Kopierkosten für Behandlungsunterlagen und Kosten eines fachmedizinischen Gutachtens ersetzt verlangen.
Daneben können auch Kosten für Hilfsmittel oder eine Anschlussheilbehandlung geschuldet sein. Im Todesfall sind die Kosten der Beerdigung und der Trauerfeier als materieller Schadensersatz zu ersetzen.
Neben dem Schmerzensgeld existiert also eine ganze Reihe weiterer Schadensersatzpositionen, die der geschädigte Patient von dem Arzt oder dem Krankenhaus bzw. deren jeweiliger Haftpflichtversicherung einfordern kann. Zudem können nicht nur die Schäden, die bereits eingetreten sind, geltend gemacht werden. Ebenso können Schäden auch im Rahmen von Rentenzahlungen für die Zukunft geltend gemacht werden, wenn sich diese Schäden auch in Zukunft weiter fortsetzen werden.
Es ist wichtig, jeden Einzelfall individuell und im Detail mit einem erfahrenen Fachanwalt für Medizinrecht zu besprechen, damit Sie zu Ihrem Recht kommen.
Was sind „vermehrte“ Bedürfnisse?
Nach einem Behandlungsfehler kommen zeitweise oder auch dauerhaft hohe finanzielle Belastungen auf die geschädigten Personen und deren Familien zu. Dieser finanzielle Mehraufwand geht weit über das hinaus, was Menschen normalerweise für persönliche Bedürfnisse aufwenden.
Die Formulierung „Vermehrung der Bedürfnisse“ findet sich in § 843 Abs.1 BGB. Hierunter fallen alle unfallbedingten und ständig wiederkehrenden Aufwendungen, die den Zweck haben, die Nachteile auszugleichen, die dem Verletzten infolge dauernder Beeinträchtigungen seines körperlichen Wohlbefindens entstehen. Zu den Vermehrten Bedürfnissen gehören u.a. Pflegekosten, Kleidung, Umbaukosten für ein Kraftfahrzeug (z.B. behindertengerechte Umrüstung), Schaffung einer behindertengerechten Wohnung, elektronische Schreib- und Lesehilfen, Prothesen, etc.
Was ist ein Verdienstausfall?
Der Verdienstausfall wird auch als Erwerbsschaden bezeichnet. Der Arzt hat Schadensersatz für den ausbleibenden Erwerb oder die Nachteile bei dem beruflichen Fortkommen zu leisten. Erfasst werden alle wirtschaftlichen Beeinträchtigungen, die daraus entstehen, dass der Geschädigte seine Arbeitskraft infolge der Schädigung nicht oder nicht in vollem Umfang verwerten kann. Es muss sich um konkrete Einbußen der Einkünfte handeln, nicht um eine abstrakte Einstufung der Behinderung oder Berufsunfähigkeit. Auch bei Selbständigen müssen die Gewinneinbußen konkret (anhand der Einnahmen und Auftragslage der Jahre zuvor) nachgewiesen werden.
Außerdem ist eine Prognose darüber anzustellen, welche Möglichkeiten der Berufsausübung der Geschädigte ohne den Gesundheitsschaden gehabt hätte. Das ist insbesondere bei Kindern, Jugendlichen, Schülern und Studenten wichtig.
Was ist ein Haushaltsführungsschaden?
Verliert der Patient aufgrund des ärztlichen Kunstfehlers die Fähigkeit Arbeiten im Haushalt wie zuvor zu verrichten, stellt sich diese Einbuße als Vermögensschaden dar. Es werden sowohl Defizite in der Selbstversorgung (z.B. bei Alleinlebenden) ersetzt, als auch solche Arbeiten im Haushalt, die für Familienangehörige erbracht worden sind. Zu den Arbeiten im Haushalt zählen auch Gartenarbeiten, Autopflege und Reparaturen im häuslichen Bereich.
Der Geschädigte kann die Kosten für eine Haushaltshilfe verlangen. Wenn er auf die Einstellung einer Haushaltshilfe verzichtet und die Mehrarbeiten von Familienangehörigen oder dem Patienten selbst erbracht werden, ist der erhöhte Zeitaufwand von dem Arzt bzw. dessen Haftpflichtversicherung in Geld zu erstatten.
Was ist ein Unterhaltsschaden?
Wenn das Opfer eines Behandlungsfehlers infolge des Behandlungsfehlers verstorben ist, sind den Unterhaltsberechtigten von dem Arzt die Unterhaltsleistungen zu erstatten. Das regelt § 844 Abs. 2 BGB.
Die Höhe richtet sich allerdings nach den gesetzlichen Unterhaltsansprüchen, nicht nach dem tatsächlich geleisteten (höheren) Unterhalt.
Was bedeutet Schadensminderungspflicht?
Das Opfer eines Behandlungsfehlers unterliegt grundsätzlich der Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB. Diese Vorschrift regelt zugunsten des Schädigers die Pflicht des Opfers, Schaden abzuwenden oder zu mindern.
Die Schadensminderungspflicht führt dazu, dass der Patient zumindest versuchen muss, die Arbeitstätigkeit fortzusetzen oder eine anderweitige angemessene Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Auch Umschulungsmaßnahmen können zumutbar sein, die Kosten müssen von dem Arzt ersetzt werden.
Unter dem Aspekt der Vorteilsausgleichung muss sich der Patient außerdem die Kosten anrechnen lassen, die er durch den Wegfall der Erwerbstätigkeit spart. Diese Kosten müssen von der Schadensersatzleistung abgezogen werden. Dabei handelt es sich z.B. um Fahrtkosten zur Arbeitsstätte, Ausgaben für Arbeitskleidung, Beiträge zu Berufsverbänden usw., die nun nicht mehr anfallen.
Wie erlange ich mein Schmerzensgeld und Schadensersatz?
Nach einem Behandlungsfehler stehen Ihnen zahlreiche Ansprüche zu. Der erste Schritt zur gerechten Entschädigung ist eine umfassende Bezifferung aller Schadenspositionen. Nur diejenigen Positionen werden entschädigt, die auch geltend gemacht werden. Dabei ist die Unterstützung eines Spezialisten in Medizinrecht unverzichtbar. Nur ein Fachanwalt mit einer langjährigen Erfahrung kann den Sachverhalt und somit alle in Betracht kommenden Schadenspositionen überhaupt überblicken. Daher gehen wir mit Ihnen alle möglichen Schäden gemeinsam durch und beziffern Ihre Ansprüche individuell und sorgfältig.
Sodann fordern wir den Arzt oder das Krankenhaus zur Entschädigung aller entstanden Schäden auf. Zudem sichern wir die in der Zukunft zu befürchtenden Schäden durch eine entsprechende Erklärung der Gegenseite ab.
Unser Ziel ist an der ersten Stelle eine außergerichtliche Einigung, um Ihnen ein langjähriges Gerichtsverfahren zu ersparen. Wenn keine außergerichtliche Einigung erzielt werden kann, zögern wir jedoch nicht, Ihre Ansprüche konsequent gerichtlich geltend zu machen.
Einzelheiten zum Verfahrensablauf lesen Sie in unserem Blogbeitrag:
Der Verfahrensablauf im Arzthaftungsprozess – ein Überblick.
Fazit
Schmerzensgeld und Schadensersatz stellen die zivilrechtliche Konsequenz eines ärztlichen Fehlers dar. Für die Höhe Ihrer Entschädigung ist eine umfassende und sorgfältige Bezifferung aller Schadenspositionen entscheidend. Der Arzt wird nämlich nicht freiwillig Schadenspositionen bezahlen, die Ihr Anwalt nicht gefordert hat. Auch das Gericht kann nur diejenigen Ansprüche zusprechen, die Ihr Anwalt vorher beziffert und begründet hat. Fehler eines Anwalts, der sich im Arzthaftungsrecht nicht auskennt, gehen dabei zu Ihren Lasten.
Ein Beitrag von Anna Hannen und Daniel Mahr
Medizinrecht – Arzthaftungsrecht –Behandlungsfehler
Fehlende Indikation, Darmriss nach einer Leistenhernie-Operation, 20.000, – EUR
Die Klägerin wurde nach multiplen Voroperation aufgrund bestehender Unterbauchschmerzen mit Verdacht auf Leistenhernie links in das Krankenhaus der Gegenseite eingewiesen. Es wurde daraufhin die Indikation zur Operation der sogenannten epigastrischen Hernie gestellt und die Klägerin noch am selben Tag aufgeklärt, wobei spezielle Risiken oder Alternativen zur Operation auf dem Aufklärungsbogen nicht zu finden waren. Circa einen Monat später erfolgte die stationäre Aufnahme und die besprochene Operation. Unmittelbar nach der Operation bestand bei der Klägerin eine auffällige klinische Symptomatik. Trotz Medikamentengabe bestanden starke Schmerzen und Übelkeit. Als die liegende Redon-Drainage ohne Sog mit 320 ml gefüllt war, wobei sich trübes Sekret entleerte, wurde die Indikation zur Re-Operation gestellt. Intraoperativ zeigte sich, dass das Bauchfell eröffnet und eine Darmschlinge (Jejunum) quer zur Verlaufsrichtung eingerissen war. Zudem lag ein Wanddefekt des Dünndarms vor. Es wurden insgesamt 30 cm des Dünndarmes entfernt, die Darmenden wieder reanastomosiert und der Wanddefekt übernäht. Postoperativ förderte die in der Bauchhöhle befindliche Drainage weiterhin trübes Sekret. Unter dem Verdacht auf eine erneute Dünndarmleckage erfolgte noch am selben Tag die erneute Re-Operation. Nach Wiedereröffnung des Bauchraumes fand sich dann im Bereich der während der vorausgegangenen Operation übernähten Wandläsion eine Perforation. Es wurde daraufhin
die bei der Voroperation angelegte Anastomose aufgelöst und der Darm nachreseziert. Es erfolgten eine erneute Anastomose des Dünndarmes und ausgiebige Spülung des Bauchraumes. Das Bauchfell und die Faszie wurden wieder fortlaufend verschlossen. Nach der Operation trat jedoch Wundheilungsstörung auf. Aus der Wunde wurde ein multiresistenter gramnegativer Keim isoliert, welcher resistenzgerecht behandelt wurde. Nach der Entlassung befand sich die Klägerin in der Rehabilitation.
Unter der Prämisse, dass bei der Klägerin keine Beschwerden vorlagen, bzw. dass keine hinreichende Aufklärung über die Behandlungsalternativen erfolgte, wurde die Indikationsstellung zur Operation als behandlungsfehlerhaft bewertet. Im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens konnten wir eine Einigung mit der Gegenseite erzielen.
Landgericht Magdeburg, Az. 9 O 60/21
Medizinrecht – Arzthaftungsrecht – unterlassene Befunderhebung
Pankreatitis und Sepsis nach einer ERCP-Untersuchung, 20.000, – EUR
Nach einer endoskopischen retrograde Cholangiopankreatikographie (ERCP) zur Entfernung der Gallensteine traten bei dem Patienten Beschwerden ein. Am Folgetag veranlasste der Assistenzarzt ein urologisches Konsil. Schließlich veranlasste der Urologe eine CT-Untersuchung des Abdomens. Die CT-Untersuchung ergab freie Luft intraabdominell sowie freie Flüssigkeit in der rechten Kolonrinne bis zum Unterbauch reichend. Beim Verdacht auf Verletzung des Duodenums im Rahmen der ERCP wurde der Patient einer Notoperation unterzogen. Postoperativ kam es zum Anstieg der Lipase, des CRP-Wertesund zum starken Abfall des Kalziumwertes. Diese nekrotisierende Pankreatitis führte bei massiv nötiger Flüssigkeitssubstitution zu einem Anstieg des abdominellen Drucks und in der Folge zum Kompartmentsyndrom, welches die Blutzirkulation in den betreffenden Oberbauchorganen des Patienten noch einmal deutlich verschlechtert hat, was schließlich zu ausgedehnten Nekrosen im gesamten Oberbauchbereich, zur Sepsis und letztendlich zum Tod des Patienten geführt hat. Im Rahmen des durch den Sohn des Verstorbenen geführten gerichtlichen Verfahrens konnten Aufklärungsfehler und mehrere Behandlungsfehler nachweisen werden. Auch wenn eine Bauchspeicheldrüsenentzündung sowie eine Perforation grundsätzlich mögliche Risiken einer ERCP darstellen, wurde in dem konkreten Fall eine technische Ausführung angewandt, die die Risiken der Untersuchung deutlich erhöht hat. Die ERCP wurde nämlich in Anwendung der sonographisch gestützten Methode durchgeführt, die nicht dem Standard entspricht. Dadurch waren die Risiken der Untersuchung deutlich höher als im Rahmen der standardisierten Ausführung, worüber der Patient besonders aufzuklären wäre. Des Weiteren wurde eine ordnungsgemäße Nachuntersuchung unterlassen. Nach der ERCP-Untersuchung, spätestens bevor der Patient wieder essen durfte, hätte zwingend eine klinisch ärztliche Kontrolle erfolgen müssen. Darüber hinaus erfolgte die Übergabe an den Nachtdiensthabenden fehlerhaft, indem nicht über die komplizierte ERCP berichtet wurde, was zur falschen Differentialdiagnostik im Weiteren Verlauf geführt hat. Die zu spät erfolgte CT- Untersuchung wurde als Befunderhebungsfehler gewertet. Die verzögerte Diagnostik führte zum schweren Verlauf und Tod des Patienten.
Landgericht Magdeburg, Az. 9 O 60/21
Medizinrecht – Arzthaftungsrecht – unterlassene Befunderhebung
Pankreatitis und Sepsis nach einer ERCP-Untersuchung, 20.000, – EUR
Nach einer endoskopischen retrograde Cholangiopankreatikographie (ERCP) zur Entfernung der Gallensteine traten bei dem Patienten Beschwerden ein. Am Folgetag veranlasste der Assistenzarzt ein urologisches Konsil. Schließlich veranlasste der Urologe eine CT-Untersuchung des Abdomens. Die CT-Untersuchung ergab freie Luft intraabdominell sowie freie Flüssigkeit in der rechten Kolonrinne bis zum Unterbauch reichend. Beim Verdacht auf Verletzung des Duodenums im Rahmen der ERCP wurde der Patient einer Notoperation unterzogen. Postoperativ kam es zum Anstieg der Lipase, des CRP-Wertesund zum starken Abfall des Kalziumwertes. Diese nekrotisierende Pankreatitis führte bei massiv nötiger Flüssigkeitssubstitution zu einem Anstieg des abdominellen Drucks und in der Folge zum Kompartmentsyndrom, welches die Blutzirkulation in den betreffenden Oberbauchorganen des Patienten noch einmal deutlich verschlechtert hat, was schließlich zu ausgedehnten Nekrosen im gesamten Oberbauchbereich, zur Sepsis und letztendlich zum Tod des Patienten geführt hat. Im Rahmen des durch den Sohn des Verstorbenen geführten gerichtlichen Verfahrens konnten Aufklärungsfehler und mehrere Behandlungsfehler nachweisen werden. Auch wenn eine Bauchspeicheldrüsenentzündung sowie eine Perforation grundsätzlich mögliche Risiken einer ERCP darstellen, wurde in dem konkreten Fall eine technische Ausführung angewandt, die die Risiken der Untersuchung deutlich erhöht hat. Die ERCP wurde nämlich in Anwendung der sonographisch gestützten Methode durchgeführt, die nicht dem Standard entspricht. Dadurch waren die Risiken der Untersuchung deutlich höher als im Rahmen der standardisierten Ausführung, worüber der Patient besonders aufzuklären wäre. Des Weiteren wurde eine ordnungsgemäße Nachuntersuchung unterlassen. Nach der ERCP-Untersuchung, spätestens bevor der Patient wieder essen durfte, hätte zwingend eine klinisch ärztliche Kontrolle erfolgen müssen. Darüber hinaus erfolgte die Übergabe an den Nachtdiensthabenden fehlerhaft, indem nicht über die komplizierte ERCP berichtet wurde, was zur falschen Differentialdiagnostik im Weiteren Verlauf geführt hat. Die zu spät erfolgte CT- Untersuchung wurde als Befunderhebungsfehler gewertet. Die verzögerte Diagnostik führte zum schweren Verlauf und Tod des Patienten.
Landgericht Münster, Az. 108 O 5/22
Medizinrecht – Arzthaftungsrecht – Diagnose- und Befunderhebungsfehler
Lungentumor, grob fehlerhafte Beurteilung des radiologischen Befundes, gerichtlicher Vergleich nach Anwaltswechsel 30.000, – EUR
Auf den Röntgenbildern war eindeutig ein großer Rundherd im Mittel- und Oberlappen der rechten Lunge zu erkennen. Bei einem solchen offenkundig vorliegenden radiologischen Veränderung, musste von einem Lungentumor unklarer Genese ausgegangen werden, der einer zeitnahen weiteren Abklärung bedurfte. Der Rundherd war so eindeutig zu erkennen, dass das Übersehen als grob fehlerhaft bewertet wurde. Aufgrund des Befundes hätte man den Erblasser zur weiteren Diagnostik in eine spezielle pneumologische/thoraxchirurgische Abteilung überweisen müssen. Zu diesem Zeitpunkt wies der Tumor mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit eine geringe Größe auf. Es hätte auf jeden Fall eine Abklärung des Prozesses im Bereich der rechten Lungenseite in die Wege geleitet werden müssen. Stattdessen wurden eine manuelle Therapie, eine isometrische Reflexionstherapie und eine manuelle Mobilisation des Patienten durchgeführt. Im weiteren Verlauf trat ein anhaltender Husten mit atemabhängigen Schmerzen rechts thorakal auf, so dass durch den Hausarzt eine erneute radiologische Abklärung verordnet wurde. Die Röntgenaufnahmen ergaben eine unklare Raumforderung rechts thorakal. Es schloss sich eine stationäre Aufnahme an. Es erfolgte eine Computertomographie, die eine große tumoröse pleurale Raumforderung mit soliden und liquiden Anteilen rechts im Lungenoberfeld mit Infiltration der Thoraxwand und ohne Anhalt für ein zentrales Bronchialkarzinom beschrieben hat. Zytologisch konnte kein Malignom nachgewiesen werden, so dass eine explorative Thorakoskopie mit dem Versuch, den Tumor zu lösen, erfolgt ist. Hierbei kam es zu einer Tumoreröffnung mit diffuser Verteilung von Tumorinhalt. Es entstand eine intratumoröse Blutung, so dass der thorakoskopische Eingriff auf eine konventionelle offene Thorakotomie umgestellt werden musste. Es folgt dann eine palliative Oberlappenresektion.
Wir übernahmen das Mandat im Laufe des gerichtlichen Verfahrens. Neben dem groben Diagnosefehler des Radiologen konnten grobe Fehler bei der präoperativen Diagnostik nachgewiesen werden. Die Tumoreröffnung war unmittelbare Folge des Nichtbeachtens der Therapieempfehlungen und des allgemein üblichen chirurgischen Vorgehens. Die Verschleppung des Tumormaterials hat definitiv zu einer palliativen Situation geführt. Die Tumoraussaat war Ausgangspunkt der frühen Rezidiv- Entwicklung und der maximal schlechten Prognose der Tumorsituation.
Landgericht Mainz, Az. 2 O 358/20
Medizinrecht – Arzthaftungsrecht – Diagnosefehler
Pankreaskarzinom, grob fehlerhafte Beurteilung des radiologischen Befundes, gerichtlicher Vergleich nach Anwaltswechsel 40.000, – EUR
Neben der durch den Beklagten erkannten zystischen Raumforderung ergab die MRT-Untersuchung eine weitere Raumforderung im Übergangsbereich von Pankreaskopf zum Pankreascorpus. Diese wurde durch den Radiologen behandlungsfehlerhaft übersehen. Unter Berücksichtigung der Voruntersuchung mittels Ultraschalls, die eine explizite Fragestellung an den Radiologen mit einer genauen Lagebezeichnung richtete, erschien der Fehler des Radiologen nicht mehr verständlich. Die Raumforderung konnte auch nicht übersehen werden, so dass die Beweisaufnahme durch Befragung des radiologischen Sachverständigen einen groben Behandlungsfehler ergab und zur Beweislastumkehr führe. Durch die fehlerhafte Beurteilung des radiologischen Befundes wurde die weitere Abklärung des Befundes unterlassen. Dadurch konnte auf den damals mit überwiegender Wahrscheinlichkeit lokalen und noch operablen Befund des Pankreaskarzinoms nicht rechtzeitig reagiert werden, was zum Tod der Patientin führte. Bei einer zeitnahen Operation hätte die Patientin eine Chance für eine längere Lebenserwartung über mehrere Jahre gehabt.
Wir übernahmen das Mandat im Laufe des gerichtlichen Verfahrens. Kurz nach dem Anwaltswechsel konnten wir das Verfahren erfolgreich im Wege eines Vergleiches abschließen. Die Gegenseite zahlte sowohl Schmerzensgeld für die verstorbene Patientin als auch Hinterbliebenengeld für den das Verfahren führenden Sohn.
Medizinrecht – Arzthaftungsrecht – Behandlungsfehler
behandlungsfehlerhafte Verzögerung der Sectio Geburt bei Uterusruptur, 91.892, – EUR
Aufgrund einer fehlerhaften Geburtsleitung erlitt sowohl die Mutter als auch das Kind gesundheitliche Schäden. Die Beschwerden der Patientin wurden nicht ernst genommen und somit die Anzeichen der Uterusruptur missachtet. Auch wenn das Ultraschallbild unauffällig war, bestand aufgrund von starken Schmerzen sowie Vorwölbung im rechten Unterbauch zumindest ein Verdacht auf eine Ruptur. Auf diesen Verdacht hätte die Ärzteschaft reagieren und von der spontanen Geburt zur Sectio übergehen müssen. Auch in dem weiteren Verlauf wurde das Sectio behandlungsfehlerhaft verzögert. Von der ersten Auffälligkeit im CTG bis zur Geburt des Kindes dauerte es über eine Stunde. Die Lage wurde trotz eindeutiger Auffälligkeiten behandlungsfehlerhaft nicht als Notsectio eingestuft. Der in den Leitlinien (AWMF 015-084 Sectio caesarea) geforderte Zeitraum von maximal 20 Minuten wurde deutlich überschritten. Die Gabe von Oxytocin erhöhte das Risiko der Ruptur zusätzlich, worüber die Patientin ebenfalls nicht aufgeklärt wurde, was einen weiteren Aufklärungsfehler darstellt. Aufgrund der fehlerhaften Geburtsleitung wurde sowohl die Mutter als auch ihr Kind in eine lebensbedrohliche Situation gebracht. Hätten die Ärzte ordnungsgemäß auf die vorliegenden Auffälligkeiten reagiert, wäre eine Notsectio-Geburt umgehend eingeleitet worden. Somit hätte die bei dem Neugeborenen eingetretene schwere Asphyxie vermieden werden können.
Im Rahmen einer außergerichtlichen Einigung erzielten wir neben dem Schmerzensgeld für die Mutter, Schmerzensgeld für das Kind sowie eine Absicherung des Kindes für alle nicht absehbaren künftigen materiellen und immateriellen Schäden.
Medizinrecht – Arzthaftungsrecht – Geburtsschaden
Tetraparese infolge eines Behandlungsfehler, schwere körperliche und geistige Behinderung, 2 Mio. EUR
Während der Geburt kam es auf Grund von Behandlungsfehlern zur Unterbrechung der Sauerstoffversorgung des Kindes, was zur schweren Hirnschädigung führte. Es entwickelte sich eine Tetraparese. Die körperlichen und geistigen Einschränkungen führten zur Schwerstbehinderung des Kindes.
Die Familie kontaktierte uns und bat um Übernahme des laufenden Mandates. Nach einer detaillierten Bezifferung aller Schadenspositionen konnten wir zunächst eine Erhöhung der monatlichen Rente erreichen. Im Laufe der weiteren Verhandlung wurden von der Gegenseite neben den bereits angefallenen auch Kosten für weitere erforderlich gewordenen Umbaumaßnahmen übernommen. Insbesondere jedoch wurde eine Absicherung des Kindes für die Zukunft erreichen, indem eine lebenslange Pflege unabhängig von der monatlichen Rente gewährleistet bleibt.
Medizinrecht – Arzthaftungsrecht – Behandlungsfehler
Nervenschädigung bei einer operativen Versorgung der Ellenbogenluxation, 65.000, – EUR
Der Kläger wurde nach einem Sturz wegen Ellenbogenluxation am rechten Arm behandelt. Es wurden mehrere Operationen zur Stabilisierung des Ellbogens durchgeführt. Bei der letzten Operation hätte die Palmaris longus-Sehne an der Beugeseite des rechten Handgelenkes entnommen und zur Stabilisierung die lateralen Bandsysteme am rechten Ellbogengelenk verwendet werden müssen. Dabei wurde die Schädigung des Nervus medianus verursacht. Ursächlich für die Schädigung war die Entnahme der Sehne des Musculus palmaris longus mit dem Sehnenstripper. Anstatt des Nervus medianus hätte die Palmaris longus Sehne entnommen werden müssen. Die Identifizierung der Palmaris longus Sehne und damit die Vermeidung der Entnahme des Nervus medianus stellte nach Einschätzung des Sachverständigen ein für den Operateur voll beherrschbares Vorgehen dar. Die Entnahme eines 30 cm langen Segmentes des Nervens erschien unverständlich und somit als grob fehlerhaft.
Im Termin der mündlichen Verhandlung schlossen wir einen Widerrufsvergleich über 65.000 EUR, der auch rechtskräftig geworden ist.
Nach einer Laparoskopie wurde der ZVK fehlerhaft im Sitzen entfernt. Dadurch kam es zum Multiinfarktsyndrom aufgrund einer massiven Luftembolie kardinal in beiden Ventrikeln und intrakranial. Die Luftembolie verursachte multiple Hirninfarkte, insbesondere im Versorgungsgebiet der Arteria Cerebra media links und Arteria posterior rechts und im Bereich des Kleinhirns mit initialer Tetraplegie, Critical-Illness-Polyneuropathie.
Wir haben die Gegenseite außergerichtlich mit den Ansprüchen des Patienten konfrontiert. Nach einer langen Auseinandersetzung mit dem gegnerischen Anwalt, konnte Rechtsanwältin Hannen im Wege einer außergerichtlichen Einigung eine zufriedenstellende Entschädigung in Höhe von insgesamt 573.000, – EUR erreichen.
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Was unterscheidet einen Fachanwalt von einem „normalen“ Anwalt?
Um Anwalt/ Anwältin zu sein bedarf es eines erfolgreich abgeschlossenen juristischen Studiums sowie zwei Staatsexamina. Somit hat der Anwalt/ die Anwältin eine Grundausbildung und darf in jedem Rechtsbereich tätig werden.
Fachanwälte zeichnen sich durch eine zusätzliche, besondere Spezialisierung in einem konkreten Rechtsgebiet aus. Den Fachanwaltstitel verleiht die Rechtsanwaltskammer nur, wenn besondere theoretische und praktische Kenntnisse in einem konkreten Rechtsgebiet nachgewiesen werden. Zudem sind die Fachanwälte verpflichtet, sich jährlich fortzubilden.